Wie der Blick über den Atlantik deutschen Unternehmen hilft

Unbegrenzte Möglichkeiten: Treffender lässt sich die Partnerschaft zwischen der weltgrößten Volkswirtschaft USA und der weltgrößten Industriemesse in Hannover nicht beschreiben. „Während in der vergangenen Dekade alle gen Osten auf die asiatischen Märkte schauten – vor allem nach China –, ist es nun Zeit für einen Perspektivenwechsel“, erklärt Dr. Armin Schmiedeberg, Partner und Industrieexperte bei Bain & Company. „Auf der anderen Seite des Atlantiks befindet sich ein verlässlicher Partner mit einem sehr großen und stabil wachsenden Markt.“ Die internationale Managementberatung Bain & Company hat vier Schlüsselfaktoren definiert, die deutschen Unternehmen helfen, noch stärker vom Wachstum in Nordamerika zu profitieren.

USA wichtigster Handelspartner

Die Vereinigten Staaten sind gerade zu Deutschlands wichtigstem Handelspartner aufgestiegen. Mit einem Gesamt-Außenhandelsumsatz (Exporte und Importe) von mehr als 173 Milliarden Euro standen die USA 2015 zum ersten Mal seit 1960 an der Spitze und verwiesen Frankreich auf den zweiten Platz – vor den Niederlanden und China. Die Franzosen haben diese Statistik seit 1961 angeführt. Einzige Ausnahme war das Jahr 1974. Da hatten die Niederlande die Poleposition.

Der Blick über den Atlantik lohnt sich für die deutsche Exportwirtschaft ganz besonders. Deutschland lieferte im vergangenen Jahr Waren im Wert von rund 114 Milliarden Euro in die USA. Damit war das deutsche Exportvolumen fast doppelt so hoch wie die Importe aus den Vereinigten Staaten (gut 59 Milliarden Euro) – mit einem klar positiven Außenhandelssaldo von rund 55 Milliarden Euro.

Ganz anders stellt sich die jüngste Bilanz mit China dar. Von dort werden die meisten Waren nach Deutschland eingeführt. Die Importe beliefen sich 2015 auf einen Gesamtwert von 91,5 Milliarden Euro. Das Handelsdefizit beträgt rund 20 Milliarden Euro. „Realität ist schon heute, dass das Wachstum aus dem Westen kommt“, stellt Bain-Partner Schmiedeberg fest.



Der Maschinenbau macht es vor

Eine Branche, die das längst erkannt hat, ist der Maschinenbau. Im Jahr 2015 wuchsen dessen Ausfuhren nach Nordamerika um 19 Prozent. Dabei wurde vor allem nach Mexiko (plus 75 Prozent) und in die USA (plus 9 Prozent) exportiert. Die Ausfuhren deutscher Maschinenbauer nach Asien waren mit minus 5 Prozent rückläufig, bedingt insbesondere durch das schwache Chinageschäft, das mit minus 8 Prozent zu Buche schlug. Damit hat der US-Markt dem bisherigen Spitzenreiter China den Rang abgelaufen.

Weiteren Schwung erhofft sich die deutsche Industrie von dem geplanten Transatlantischen Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, sprich: TTIP, mit dem technische Hürden und Handelsbarrieren schwinden sollen. „Nicht nur für Maschinenbauer gibt es große Chancen auf dem nordamerikanischen Markt“, so Schmiedeberg. „TTIP beruht auf dem Erfolgsrezept der Europäischen Union und fördert die Stärken der europäischen Wirtschaft.“ Der alte Kontinent fällt derzeit im globalen Wettbewerb zurück, weshalb ein leichter Marktzugang in den USA zunehmend an Attraktivität gewinnt. Gerade für kleine und mittelständische Familienunternehmen bedeuten Zölle und nicht tarifäre Handelshemmnisse häufig ein hohes Maß an Bürokratie, die mit zusätzlichem Personal und viel Zeitverlust teuer erkauft werden muss. „Globale Handelserleichterungen im Rahmen der WTO werden immer schwieriger“, betont Schmiedeberg. „Hier können wir mit TTIP Standards im Westen setzen, bevor es uns die Asiaten im Osten vormachen.“

Bain definiert vier Schlüsselfaktoren für den Erfolg auf dem nordamerikanischen Markt: Kapitalallokation, Organisation, Vertrieb und Verwaltung (siehe Checkliste). „Unternehmen müssen ihre Aufstellung konsequent überprüfen und gegebenenfalls anpassen“, rät Bain-Experte Schmiedeberg. „Die USA repräsentieren mit einem BIP von über 17 Billionen US-Dollar mehr als ein Viertel der Weltwirtschaft. Wer in den nächsten Jahren von der Dynamik auf dem nordamerikanischen Markt profitieren will, muss dafür heute die richtigen Weichen stellen.“ Deshalb sollten deutsche Unternehmen den Aufbau eigener Regionalorganisationen vor Ort vorantreiben, und dabei empfehlen sich die USA als Standort.

Checkliste für nachhaltigen Erfolg auf dem nordamerikanischen Markt
Handlungsempfehlungen für deutsche Unternehmen

1. Kapitalallokation:
Passen Wertschöpfung und Absatz zusammen?
– Gibt es einen ambitionierten Plan für den Ausbau des Nordamerikageschäfts?
– Stehen die entsprechenden Ressourcen bereit?
– Korrelieren Investitions- und Absatzplanung?

2. Organisation:
Wie „amerikanisch“ ist Ihr Unternehmen?
– Gibt es eine nordamerikanische Regionalorganisation?
– Sind lokale Manager in Führungsfunktionen eingebunden?
– Kann die US-Tochter wie ein US-Unternehmen agieren?

3. Vertrieb:
Wie gut läuft die Vertriebsmaschine in Nordamerika?
– Kennen Sie Ihr Marktpotenzial oder werden Kundenanfragen eher reaktiv beantwortet?
– Entspricht die lokale Aufstellung des Vertriebs den Potenzialen vor Ort?
– Sind Ihre Produkte für den nordamerikanischen Markt „easy to sell, easy to operate, easy to fix“?

4. Verwaltung:
Sind die Vorbereitungen für intelligentes, kostensparendes Wachstum abgeschlossen?
– Kann vor Ort genügend Personal rekrutiert und trainiert werden?
– Gibt es „Shared Services“ für wesentliche Unterstützungsfunktionen wie IT und Rechnungswesen?
– Wachsen Fix- und Verwaltungskosten langsamer als die Umsatzprognose?

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