Künstliche Intelligenz – Warum gerade jetzt?

Am Beispiel des neuen Smartphones von Google wird deutlich, wie das Datennetz weitergesponnen wird. Schon bald wird Künstliche Intelligenz (KI) zu einem fest eingewebten Bestandteil. Nutzern kommunikationsfähiger Geräte wird die KI in allen Lebenslagen assistierend zur Seite stehen. Wer die Dienste der Assistenten nutzen will, wird sich allerdings offenbaren müssen, denn die Basis für leistungsfähige Künstliche Intelligenz ist das Maschinelle Lernen. Maschinelles Lernen wiederum ist auf Daten angewiesen, und davon so viel wie möglich.

Google hat ein komplett selbst entwickeltes Smartphone mit dem schlichten Namen Pixel vorgestellt, zusammengebaut aus hauseigener Soft- und Hardware. Noch ein überteuertes Gadget der Oberklasse zur Politur des eigenen Images, könnte man denken. „Mit den Pixel Telefonen gehen wir ganz neue Wege. Sie sind mit dem Besten ausgestattet, was Google je zu bieten hatte,“ sagt Dr. Wieland Holfelder, Entwicklungschef Google Deutschland. Marketingsprech, könnte man meinen.

Neue Wege sind für Holfelder unter anderem der mit Pixel verknüpfte, kostenlose und unbegrenzte Online Speicher für Fotos und Videos und der „Google Assistant“ für die Sprachsteuerung. Unbegrenzter Online Speicher, also unbegrenzter Speicherplatz in der Google Cloud, hört sich gut an, aber was soll ein weiterer Assistent? Es gibt doch schon Google Now, und andere Hersteller schicken Siri und Cortana ins Rennen. Doch bei Google Assistant geht es offenbar um wesentlich mehr. Es geht um eine Schnittstelle zu Googles Künstlicher Intelligenz, die im Laufe der nächsten Jahre den Alltag der Menschen prägen soll.




Ins Bild passt da ein Post von Norm Jouppi, hochrangiger Hardwareingenieur bei Google. Er schreibt, Maschinelles Lernen liefere den eigentlichen Schwung (oomph – ein schönes englisches Wort!) für viele der besten Google Apps. Mehr als 100 Teams nutzten schon Maschinelles Lernen, zum Beispiel für die Weiterentwicklung von Street View.

Aber eines sei klar, gute Software leuchte am hellsten, wenn sie von passender Hardware unterstützt werde. Jouppi verweist dabei auf ein Projekt, dass Google vor einigen Jahren im Verborgenen begonnen hat mit dem Ziel, Maschinelles Lernen erheblich zu beschleunigen. Das Ergebnis wurde auf der jüngsten Entwicklerkonferenz I/O vorgestellt: die Tensor Processing Unit (TPU), ein massgeschneiderter Chip für Maschinelles Lernen. TPUs waren im Spiel, als AlphaGo gegen den Go Weltmeister Lee Sedol gewonnen hat. Jetzt werden TPUs Teil der Google Infrastruktur und ziehen damit in den Alltag der Google Nutzer ein.

Google gibt mit seinem Assistant eine Antwort auf die Frage, warum die Künstliche Intelligenz gerade jetzt so grosse Fortschritte macht. Über die Möglichkeit, Computern eine Art Denken beizubringen, wurde schliesslich schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts diskutiert. Diese Diskussion ist seither nie verstummt. Aber erst heute fügen sich verschiedene Entwicklungen zu einem grossen Ganzen zusammen, das aus vielen Ideen nutzbare Wirklichkeit werden lässt.

Die Algorithmen, die zu Künstlicher Intelligenz führen, brauchen sehr leistungsfähige Hardware. Das Mooresche Gesetz, nachdem sich die Komplexität integrierter Schaltungen regelmäßig verdoppelt, gilt seit 1965 ungebrochen und die Leistungsfähigkeit von Computersystemen wächst nach wie vor ungebremst. So erreichen heutige Smartphones oder Spielekonsolen Rechenleistungen, die vor 20 Jahren nur mit tonnenschweren Supercomputern erreichbar waren. Norm Jouppi sagt, Google sei dem Mooreschen Gesetzt mit den neuen TPUs sogar drei Generationen voraus. Die Leistungsfähigkeit der Hardware ist wohl endgültig kein Flaschenhals mehr für die Fortschritte der KI.

Maschinelles Lernen ist nicht allein auf pure Rechenleistung angewiesen, sondern auch auf sehr grosse Datenmengen. Im Vor-Internet-Zeitalter war es ungeheuer aufwendig, einem KI System ausreichend „Lernstoff“ zu servieren.

Zum einen war Speicherplatz teuer – wer in den 80er Jahren eine Festplatte mit 20 Megabyte (sic!) Speicherplatz besass, war ein König, heute wird in Exabyte (Milliarden Gigabyte) gemessen – zum anderen mussten die Daten in Handarbeit für das System aufbereitet werden. Soll eine KI, sagen wir, Katzen erkennen, braucht es zum Lernen möglichst viele Bilder von Katzen in allen Lebenslagen. Heute, in der Internet-Ära, ist es kein Problem mehr, den entsprechenden Lernstoff bereitzustellen.

Was aber, wenn die Übersicht im hauseigenen Bestand digitaler Fotos verloren gegangen ist und man die Bilder von Haustiger Zulu partout nicht mehr findet? Muss der heimische Gerätepark jetzt mit KI Software und entsprechender Hardware aufgerüstet werden? Das wird wohl nicht nötig sein, denn mittlerweile gibt es ja schnelle Verbindungen ins Internet via Mobilfunk oder Festnetz, die es erlauben, auch ganze Bildarchive in die Cloud zu schicken, um sie dann dort von einer KI durchsuchen zu lassen.

KI basierte Assistenten sollen natürlich mehr tun, als Bilder zu suchen. Ein Szenario: Nutzer Karl spricht mit dem Assistenten auf seinem Smartphone. „Ich möchte heute Abend zu zweit ins Kino.“ Der Assistent übermittelt die Frage via Datennetz in die Cloud, wo sich die KI dem Anliegen widmet.

Sie kennt Karls Vorlieben und macht entsprechende Vorschläge. Nach erfolgter Auswahl reserviert und bezahlt die KI die Plätze, sucht die beste Verbindung im Nahverkehr heraus, trägt alles in den Terminkalender ein und erinnert Kurt rechtzeitig ans Losfahren, nicht ohne vorher geprüft zu haben, ob es Verspätungen im Nahverkehr gibt. Auf dem Weg ins Kino blendet die KI dann positionsbezogene Werbung ein, im Kino präsentiert die KI das Angebot an Erfrischungen und zwar genau die, die Kurts Geschmack treffen. Auf dem Heimweg macht sie dann noch Vorschläge, wo es sich auf einen Drink einzukehren lohnt.

Es dauert nicht mehr lange, und die Assistenten werden parat sein. Die notwendigen Komponenten stehen bereit: extrem leistungsfähige Hardware, schnelle Datennetze, unendlich grosse Datenmengen, cloudbasierte Dienste. Auch hier gilt, dass der auf Künstlicher Intelligenz basierende Assistent nur so gut sein kann wie die Daten, die der KI zum Lernen zur Verfügung stehen. Sie muss Karls Verhaltensweisen und Vorlieben kennen. Sie muss wissen, was er liest, hört, sieht oder einkauft, um auf seine Fragen adäquat antworten zu können. Das ist dann der Preis, den es zu zahlen gilt: Die absolute Offenbarung gegenüber der Künstlichen Intelligenz.

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