Noch nicht smart genug: Energienetze bekommen Intelligenzschub

Die Energiebranche sieht erheblichen Nachholbedarf beim Einsatz künstlicher Intelligenz (KI), zum Beispiel für Verbrauchs- und Netzauslastungsprognosen. Erst zehn Prozent der Energieversorger setzen so genannte Predictive-Analytics-Systeme ein. Jedes zweite Unternehmen der Branche will das schnell ändern und sieht großes Potenzial in den KI-Entwicklungen. 60 Prozent wollen zudem ihren Bestand an intelligenten Sensoren deutlich ausbauen, um Kosten bei Wartung der Anlagen zu sparen. Das sind Ergebnisse der Potenzialanalyse „Künstliche Intelligenz“ von Sopra Steria Consulting.

Die Energieversorger reagieren mit ihren geplanten Maßnahmen auf die zunehmende Dezentralisierung der Stromnetze. Energieverbraucher sind zunehmend auch Produzenten, so genannte Prosumer. Damit wird es schwieriger, abzuschätzen, wann diese Strom aus dem Netz beziehen. Verteilnetzbetreiber müssen jedoch zu jeder Zeit sicherstellen, dass sie ihre Kunden bei Bedarf zu hundert Prozent mit Energie versorgen können. Das erfordert entsprechende Investitionen in Smart Grids. „Über die Netzentgelte lassen sich diese Investitionen künftig nur noch bedingt refinanzieren. Alternative Lösungen sind gefragt“, sagt Sascha Krauskopf, Experte für Energieversorger von Sopra Steria Consulting.

Mit zusätzlichen Investitionen in künstliche Intelligenz wollen die Energieversorger die Kosten für den Smart-Grid-Ausbau und den Betrieb überschaubar halten. „Automatisierte und selbstlernende Systeme werden mit der Zeit immer besser darin, Vorhersagen zu treffen, wie viel Strom ein Haushalt oder ein Unternehmen in jedem Moment verbraucht und produziert. Die Kosten für das Netzmanagement und den Energiehandel lassen sich mit Predictive-Intelligence-Lösungen um rund 20 Prozent senken“, so Krauskopf.

Predicitve Maintenance wichtiger Einsparfaktor




Ein weiteres Einsatzgebiet von KI-Technologien ist Predictive Maintenance. Intelligente Ortsnetzstationen liefern beispielsweise eine Vielzahl an Daten wie Transformator-Temperaturen, Lastgänge, Energieflüsse und Schaltzustände. Diese Informationen ermöglichen die vorausschauende Instandhaltung der Anlagen. Jährliche Kontrollgänge fallen weg. 60 Prozent der Energieversorger sehen in der Bewertung von strukturierten und unstrukturierten Informationen für eine effizientere Wartung den zentralen Nutzen künstlicher Intelligenz, so die Studie. Der Ausbau von Sensorik wird deshalb in der Branche als eines der wichtigsten KI-Einsatzfelder der Zukunft angesehen.

Know-how-Aufbau kein Hindernis

Beim Aufbau des nötigen Know-hows auf dem Gebiet künstlicher Intelligenz sehen sich die Entscheider der Energieversorger gut aufgestellt. Jeder zweite Top-Manager bewertet die KI-Kompetenzen im eigenen Unternehmen als sehr gut, bei den Fachkräften sind es 30 Prozent. „Durch den Ausbau erneuerbarer Energien beschäftigt sich der Energiesektor seit Jahren mit intelligenten Technologien für die Entwicklung von Smart-Home- und Smart-Grid-Lösungen. Der nächste Know-how-Schritt hin zu kognitiven Systemen, die mitdenken, ist deshalb geringer als beispielsweise bei Finanzdienstleistern“, sagt Sascha Krauskopf.

Die größte Herausforderung sehen die Vertreter der Branche deshalb nicht im fehlenden KI-Know-how der Mitarbeiter, sondern in der nicht immer ausgereiften Technik sowie in der Entwicklung von Ideen, künstliche Intelligenz auch für weitere Zwecke über das Netzmanagement hinaus einzusetzen. Für 70 Prozent der befragten Entscheider stehen die Automatisierungsmöglichkeiten im Fokus, beispielsweise der Abbau von Routinearbeiten durch Robotic Process Automation. Jedes zweite Energieunternehmen will zudem künftig den Einsatz digitaler Assistenten im Kundenservice ausbauen und bereits eingesetzte Chatbots durch künstliche Intelligenz ergänzen.

Für die Potenzialanalyse „Künstliche Intelligenz“ wurden im Auftrag von Sopra Steria Consulting im Februar 2017 mehr als 200 (n=203) Geschäftsführer, Vorstände, und Führungskräfte im Business Development und aus Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern befragt. Die Teilnehmer kommen aus Unternehmen der Branchen Banken, Versicherungen, sonstige Finanzdienstleister, Energieversorger, Automotive und sonstiges verarbeitendes Gewerbe, Telekommunikation und Medien sowie Öffentliche Verwaltung. Explizit von der Teilnahme ausgeschlossen waren Mitarbeiter und Führungskräfte von Beratungsunternehmen und Anbieter von IT-Lösungen sowie der Handel.

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