Eine Fahrt Richtung Zukunft – mit Big Data

Das gesamte Netzwerk der Automobilindustrie – von Herstellern über Fahrer, bis zu Händlern, Werkstätten und Anbietern von Mobile Content – nutzt große Datenmengen (Big Data). Machen wir einen Ausflug in die (sehr) nahe Zukunft – von Yves de Montcheuil, VP Marketing des Softwarehauses Talend

Ob in den Planungs- und Herstellungsprozessen, in Gebrauch oder Wartung, große Datenmengen haben sich in den Lebenszyklus des Automobils eingeschlichen. Viele Hersteller, einschließlich Ford und Volvo, haben umfangreiche analytische Programme eingeführt, um Millionen von Datenpunkten zu nutzen, die von den Sensoren in den aktuellen Fahrzeugmodellen erzeugt werden. Es gibt bei diesen Programmen mehrere Ziele: Nutzungsanalysen, Kraftstoffeffizienz und Kohlenstoffemission, Sicherheit, Fahrzeugleistung und Wartungsmanagement. Die Programme prägen die neue Realität des Autos des 21. Jahrhunderts, wie ein Käufer eines Neuwagens (nennen wir ihn William) in seinem Alltag erleben wird – vielleicht schon morgen …

Wie William ein Auto kauft

William hat gerade beschlossen ein neues Auto zu kaufen. Er beginnt seine Suche im Internet, chattet mit Freunden in sozialen Netzwerken, liest Vergleiche und Bewertungen, die online von der Fachpresse veröffentlich wurden, und klickt auf zielgerichtete Bannerwerbung. Nach kurzer Zeit beginnt sich sein Posteingang mit Nachrichten zu füllen, die ihn dazu einladen, die neusten Modelle verschiedener Hersteller zu testen. Als William bei dem Autohaus einbiegt, das er sich ausgesucht hat, bekommt er eine SMS, in der ihm ein Preisrabatt auf das Modell angeboten wird, das gestern seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Er hat kaum einen Fuß aus seinem Auto gesetzt, als ein Verkäufer kommt um ihn zu begrüßen: Er wusste nicht nur, dass William heute vorbei kommt, er weiß auch, an welchem Modell er interessiert ist und hat bereits mehrere Angebote für ihn erstellt.

Yves de Montcheuil Foto: Talend
Yves de Montcheuil Foto: Talend

William braucht nicht sehr lange, um sich zu entscheiden. Nebenbei sollten wir festhalten, dass dieses Modell sowohl basierend auf Anwender-Feedback entworfen wurde, für das die Daten von den Sensoren früherer Generationen von Fahrzeugen gesammelt wurde, als auch auf Feedback von Händlern (Was ist beliebt oder ansprechend und was ist unattraktiv? Was wird benötigt und erwartet?). Sich veränderndes Nutzungsverhalten wurden ebenfalls berücksichtigt und diese Ergebnisse wurden verfeinert, basierend auf der Analyse mehrerer verschiedener Datentypen, einschließlich Leistungsdaten von Grand Prix Rennen und Prüfungen von Fachzeitschriften. William ist besonders an dem Navigationssystem der neuesten Generation interessiert, das nicht nur die Fahrzeit anderer Autofahrer verfolgt, um Staus zu verhindern, sondern auch hilft besonders unfallgefährdete Regionen zu meiden und Benzinverbrauch und damit Kohlenstoffausstoß zu optimieren.

Als das Fahrzeug geliefert wird, programmiert William als erstes seine Fahrer-Einstellungen: Position der Spiegel, Höhe des Sitzes und des Lenkrads, Temperatur und Lieblings-Radiosender. Diese Daten werden sofort in die Cloud übermittelt und können in anderen Fahrzeugen verwendet werden (Ersatz- oder Mietwagen). Er konfiguriert außerdem seine Mailbox (um Nachrichten im Freisprechmodus abzuhören) und seine Lieblingsrouten im Navigationssystem. Das ermöglicht ihm, die günstigste Tankstelle auf seiner Route zu lokalisieren, basierend auf seinem Ziel und dem aktuellen Kraftstoffverbrauch.

Williams erster Ausflug mit dem neuen Wagen ist leider lang und monoton. Kein Wunder, er hat in der Nacht vorher nicht viel geschlafen. Seine Augen beginnen zuzufallen und nach einiger Zeit wird er unaufmerksam und kann den Sicherheitsabstand zu den vorausfahrenden Fahrzeugen nicht mehr einhalten. Ein Alarm ertönt und eine freundliche Stimme empfiehlt ihm eine Pause einzulegen. Sein Fahrverhalten wird in Echtzeit analysiert und mit dem durchschnittlichen Normalverhalten von Autofahrern verglichen. Sich schließende Augen, ein Körper, der im Sitz zusammen sinkt, und schwankende oder schaukelnde Bewegungen des Kopfes sind Warnsignale für Schläfrigkeit. William entschließt sich zu einer Kaffeepause. Hätte er das nicht getan, hätte der Wagen im Falle von unmittelbarer Gefahr auf eine Art Autonavigation umgeschaltet oder einfach am nächsten Parkplatz oder Rastplatz gehalten.

Beim Durchblättern des Wartungshandbuchs seines Autos erfährt William, dass Wartung, die bisher auf der gefahrenen Distanz beruhte, nun personalisiert ist. Sie basiert auf den Informationen, die von zahlreichen Sensoren (Verschleiß der Bremsen, Motordrehzahl, Flüssigkeitsdruck, etc.) gesammelt wurden. Eine detaillierte Analyse dieser Daten (im Vergleich zu denen anderer Fahrer und der Beschreibung von Pannen oder Reparaturen, die von Händlern bearbeitet wurden) bestimmt den besten Zeitpunkt für eine Wartung. Da das Auto vernetzt ist, werden alle diese Daten in die Cloud gesendet, um statistische Modelle zu befüllen und Warnungen an den Fahrer zu schicken, falls eine potentielle Unregelmäßigkeit festgestellt wird. Zusätzlich können Fahrzeuge untereinander kommunizieren. So lassen sich potentielle Probleme im Voraus entdecken (Sicherheitsabstand, Pannenfahrzeug hinter einer Kurve, Stau, etc.).

Daten, die Markentreue fördern

Dies sind einige Beispiele der Zusatznutzen, die William dank Datenanalyse und Big Data genießt. Durch die Beobachtung des Fahrstils und unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs, können Hersteller nützliche Informationen senden, die das Fahrerlebnis verbessern werden. Im Gegenzug erhalten sie privilegierte Beziehungen mit dem Kunden aufrecht, die Markentreue fördern.

Viele andere Leistungen sind im Augenblick in der Entwicklung: Extrem schnelle Reparaturen und Wartung, biometrische Steuerung des Türschlosses, Verfolgung im Diebesfall (und Stilllegung des Fahrzeugs), gezielte und standortbezogene Werbebotschaften via Radio, Wetter- und Naturkatastrophen-Alarm, Anpassung des Versicherungstarifs basierend auf dem Fahrverhalten, Autopilot, individuelle Musikprogramme, Reiseführer, mobile Zahlung, etc..

Jenseits ihres Kerngeschäfts bilden Hersteller heute ein wahres Netzwerk von Dienstleistern, für das Big Data der Kraftstoff der Zukunft ist. Abgesehen vom Ziel ihre Verkäufe und Gewinnmargen zu bewahren, erfinden einige Hersteller ihr Geschäft dank Big Data komplett neu. Jeder einzelne Kunde wird von der erhöhten Sicherheit, der verbesserten Wartung und dem gesteigerten Fahrkomfort profitieren und schließlich ein vollkommen innovatives und bahnbrechendes Nutzererlebnis genießen.

Das Internet der Dinge – in Ihrer Tasche

Ein Gastbeitrag von Yves de Montcheuil, Vice President of Marketing, des Softwarehauses Talend

In immer mehr Großstädten tragen Einwohner einen berührungslosen Fahrausweis für die öffentlichen Verkehrsmittel in ihrem Portemonnaie mit sich herum (Oyster in London, Navigo in Paris, Octopus in Hong Kong). Dieser ermöglicht seinem Besitzer in erster Linie Zutritt durch die Drehkreuze der Metro oder zu einem Bus und belastet sein Konto für die Fahrt. Das ist der primäre Verwendungszweck. Aber tatsächlich ist das nicht der der einzige Nutzen, den die Karte bietet. Die Aufzeichnungen der Verkehrsbetriebe sind in Einzelfällen auch schon vor Gericht verwendet worden, um zu beweisen (oder zu widerlegen), dass sich eine bestimmte Person zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort befunden hat. Anhänger von Verschwörungstheorien werden möglicherweise einwenden, dass die NSA sowieso alle Bewegungen der Besitzer solcher Karten aufzeichnet – aber am Ende ist es nur eine weitere Datenbank, zu der man Zugang erhalten kann und noch mehr Big Data zur Nachverfolgung.

Berührungslose Fahrausweise werden jedoch nicht nur für den Weg zur Arbeit verwendet. Seit einigen Jahren werden sie unter anderem auch in Skigebieten eingesetzt und ersetzen dort die Tickets für den Lift. Wiederum werden sie nur eingesetzt, um Zugang zum Lift zu erhalten, oder? Nein!

Skigebiet in Bad Gastein Foto: Carsten Knop
Skigebiet in Bad Gastein Foto: Carsten Knop

In einem meiner letzten Skiurlaube habe ich eine andere Verwendung für diese berührungslosen Ski-Lift-Pässe entdeckt: Spaßanalysen. Man kann zur Webseite des Lift-Betreibers navigieren (in meinem Fall Skiline) und sich dort seine „Fun-Statistiken“ ansehen/ herunterladen: Wie lange ist man Ski gefahren, welche Strecke hat man zurückgelegt, welche Lifte benutzt. Nicht mehr lange und man wird in der Lage sein, automatisch zu twittern oder auf Facebook zu posten, wo auf dem Hang man sich gerade befindet. Warum diese Daten nicht mit seinem bevorzugten Fitness- oder Quantified-Self-Programm wie Runkeeper oder Fitbit integrieren? Und vielleicht beim nächsten Mal einen Gutschein bekommen, wenn man gerade mittags in der Nähe eines Restaurants des Skigebietes ist?

Mit Blick auf die öffentlichen Verkehrsmittel glaube ich nicht, dass Oyster oder Navigo in naher Zukunft die Möglichkeit anbieten werden, seine Fahrten herunterzuladen oder zu analysieren, wie lange man aufgrund von Signalfehlern oder Streikmaßnahmen auf dem Weg zur Arbeit im Tunnel steckte – aber die Daten liegen vor und das Potenzial ist real. Vielleicht würden einige Werber es gern wissen, wenn Sie Richtung Le Printemps Haussmann oder Saks Fifth Avenue fahren – und ob Sie mit Ihrer Frau oder mit Ihren Kindern unterwegs sind.

Die berührungslosen Karten in der Tasche sind verbundene Objekte – sie gehören zum Internet der Dinge. Sie waren ursprünglich nicht als Datenproduzenten gedacht – Daten sind ganz einfach ein Nebenprodukt ihres Gebrauchs. Skigebiete haben eine Spaßanwendung für diese Daten gefunden und bieten ihren Kunden damit ein Unterscheidungsmerkmal. Das ist nur die Spitze des Eisbergs, mehr innovative Anwendungen werden sicher folgen.