Wie Volkswagen das Auto der Zukunft virtuell entwickelt

Helles Tageslicht flutet das Volkswagen Virtual Engineering Lab in Wolfsburg. Zwei Dutzend Bildschirme leuchten, einige zeigen Grafiken, auf anderen flimmern Hunderte von Code-Zeilen. Mitten im Raum steht ein Golf-Modell aus Plastilin im Maßstab 1:4. Frank Ostermann mustert das Modell, dann wechselt er die Räder, tauscht die Rückleuchten, modifiziert die Außenspiegel. Das Design verändert Ostermann mit Gesten und Sprachkommandos. Es alles ist eine Sache von Sekunden, Augmented Reality macht es möglich. Die Software hierfür wurde im Virtual Engineering Lab entwickelt. Das Team könnte damit die Arbeit von Designern und Ingenieuren revolutionieren.

Ostermann trägt eine Mixed Reality-Brille, eine sogenannte HoloLens. Der von Microsoft entwickelte mobile Rechner projiziert virtuelle Inhalte durch Gestensteuerung und Sprachbefehle auf ein physisches Objekt. Ein Fingerzeig von Ostermann genügt, sofort wirft die HoloLens eine andere Lackfarbe auf den Golf, dann baut sie andere Räder an und verändert die Stoßfänger. Der Golf ist zunächst ein R-Line-Modell, dann eine völlig neue Version. Vielleicht rollt sie ein halbes Jahr später in die Autohäuser.

Der 52 Jahre alte Ostermann ist Diplom-Ingenieur für Technische Informatik. Bei Volkswagen in Wolfsburg leitet er das Virtual Engineering Lab, eines der mittlerweile sechs Labs der Volkswagen Konzern-IT in Wolfsburg, in Berlin, München und San Francisco. Das neueste Lab geht derzeit in Barcelona an den Start. In den Labs arbeiten IT-Experten und Software-Spezialisten von Volkswagen gemeinsam mit Forschungseinrichtungen und Technologiepartnern an der digitalen Zukunft. Im engen Austausch entstehen dort neue Lösungen zu den Themen Big Data, Industrie 4.0, Internet der Dinge, Konnektivität, Mobilitätsservices und Virtual Reality.

„Augmented Reality und Virtual Reality nutzen wir bei Volkswagen schon länger, aber bislang ermöglichte das vor allem eine dreidimensionale Betrachtung“, sagt Ostermann. „Wir im Virtual Engineering Lab gehen einen großen Schritt weiter. Wir machen die Technologie zum Arbeitsinstrument in der Technischen Entwicklung. Damit können Volkswagen Ingenieure an einem virtuellen Fahrzeug arbeiten, seine Ausstattung beliebig ändern, sogar Bauteile virtuell neu konstruieren, und das Ergebnis ihrer Arbeit direkt erleben.“ „Wie Volkswagen das Auto der Zukunft virtuell entwickelt“ weiterlesen

Industriespionage wird zu einem teuren Problem

Industriespionage wird zu einem ernsten und teuren Problem für die deutsche Wirtschaft. Jedes zweite Unternehmen erlebte in den vergangenen beiden Jahren einen Spionageangriff oder zumindest einen Verdachtsfall. Jedes Jahr entsteht für die Unternehmen hierzulande durch Industriespionage ein Schaden in Höhe von 11,8 Milliarden Euro. Das ist das Ergebnis der aktuellen Studie „Industriespionage 2014 – Cybergeddon der deutschen Wirtschaft durch NSA & Co.?“, die jetzt die Sicherheitsberatung Corporate Trust in Zusammenarbeit mit Aon Risk Solutions, der Zurich Gruppe Deutschland und dem Objektsicherheitsspezialisten Securiton vorgestellt hat.

Für die Studie wurde ein repräsentativer Querschnitt der deutschen Wirtschaft gebildet. 6767 Unternehmen aus allen Wirtschaftsbereichen wurden befragt – vom Großkonzern bis hin zu Kleinunternehmen. 77,5 Prozent der betroffenen deutschen Unternehmen erlitten durch die Spionageangriffe einen finanziellen Schaden. Bei den meisten Firmen hierzulande (40,5 Prozent) liegt die Schadenshöhe in einer Größenordnung zwischen 10.000 und 100.000 Euro. 12,6 Prozent gaben an, dass der Schaden zwischen 100.000 und einer Million beträgt und 4,5 Prozent der Firmen erlitten sogar Schäden jenseits der Grenze von einer Million Euro. „Die Studie „Industriespionage 2014“ von Corporate Trust zeigt: Die Bedrohung ist real“, erklärt Dr. Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. „Das Bedrohungsszenario ist umfassend. Noch viel zu selten wenden sich betroffene Unternehmen an die Verfassungsschutzbehörden.“ Nur bei einem Viertel der Fälle offenbarten sich die Unternehmen den Behörden. Angesichts dieser vielfältigen und massiven Spionagefälle fordert Verfassungsschutzpräsident Maaßen ein „Zusammenwirken von Staat und Wirtschaft“. „Nur mit gegenseitigem Verständnis und gemeinsamen Handeln lässt sich ein effektiver Wirtschaftsschutz realisieren“.

Mittelstand im Fokus der Angreifer

Nach wie vor steht der Mittelstand und hier insbesondere der Automobil-, Luftfahrzeug-, Schiffs- und Maschinenbau (22,5 Prozent der Angriffe) im Fokus der Angreifer. „Keine andere Branche wird so oft angegriffen“, erklärt Studienleiter Christian Schaaf von Corporate Trust. „Die Produkte dieser Unternehmen werden auf Grund ihrer ständigen Innovationen und ihrer hohen Qualität weltweit geschätzt. Umso wichtiger ist es, deren Innovationskraft und damit deren Knowhow zu schützen.“ An zweiter Stelle (17,1 Prozent) der gefährdeten Unternehmen stehen die Chemie-, Pharma- und Biotechnologie-Firmen. Auf Rang drei folgt dann die Elektro-Branche (12,6 Prozent). In einigen Fällen konnten die betroffenen Unternehmen sogar Angaben zur geografischen Herkunft der Angreifer machen. Am häufigsten erfolgen die Spionageangriffe aus Asien heraus. 38,8 Prozent der befragten Unternehmen klagen über Angriffe aus dieser Region – gefolgt von den GUS-Staaten (32,6 Prozent) und Osteuropa (31,7 Prozent). Aber es gibt auch zahlreiche Angriffe in Deutschland selbst (29,5 Prozent) und aus Nordamerika (21,9 Prozent). „Immer mehr Unternehmen müssen feststellen, dass Angriffe auch in der Heimat und aus befreundeten Staaten heraus stattfinden“, erklärt Schaaf.

Sehr unterschiedlich ist die Art und Weise, wie die Unternehmen attackiert und ausspioniert werden. 49,6 Prozent aller betroffenen Unternehmen erlebten Hackerangriffe auf ihre EDV-Systeme und ihre Geräte. Die zweithäufigste Angriffsform (41,1 Prozent) ist ebenfalls technischer Natur: Das Abhören bzw. Abfangen von elektronischer Kommunikation. An dritter Stelle (38,4 Prozent) kommt das geschickte Ausfragen von Mitarbeitern. Und an vierter Stelle (33 Prozent) steht der Datendiebstahl durch eigene Mitarbeiter. Mehr als drei Viertel aller Betriebe erklären, dass sie keine Sicherung der besonders sensiblen Bereiche beispielsweise mittels Videoüberwachung durchführen. „Die Bereiche eines Unternehmens, in denen quasi die Kronjuwelen liegen, müssen adäquat gesichert sein. Alles andere ist fährlässig“, sagt Werner Sielenkemper, Senior Consultant beim Spezialisten für Objektssicherheitslösungen Securiton.

Forschung und Entwicklung besonders interessant

Besonders stark gefährdet ist in deutschen Unternehmen der Bereich Forschung und Entwicklung. 26,3 Prozent der betroffenen Unternehmen geben an, hier bereits Schäden erlitten zu haben. Danach kommen die Bereiche IT-Administration (21,4 Prozent), Vertrieb (18,3 Prozent), Mergers & Acquisitions (14,7 Prozent) und die Fertigung (12,5 Prozent). Noch viel zu oft überlassen die Unternehmen dem jeweiligen Mitarbeiter die Entscheidung, ob Information geschützt werden muss und wenn ja wie. Nur 23,8 Prozent der deutschen Unternehmen haben eine Schutzbedarfsanalyse durchgeführt und festgelegt, welche Daten/Informationen unbedingt geschützt werden müssen.

Nicht einmal jedes zwanzigste Unternehmen hat die finanziellen Risiken eines Datenverlustes vernünftig abgesichert. Nur 3,6 Prozent der deutschen Unternehmen verfügen bereits über eine entsprechende Versicherung. Hier könnte sich jedoch in Zukunft etwas ändern. Denn 71 Prozent der Unternehmen räumen zugleich ein, sich bislang nicht ausreichend mit dem Thema beschäftigt zu haben. „Die Versicherungen müssen hier noch deutlich mehr Aufklärungsarbeit leisten“, erklärt Johann Worm, Head of Broker Management bei der Zurich Gruppe Deutschland. „Neuartige Cyber Diagnostic Tools können hier helfen, einen Überblick über die jeweils vorhandenen Risiken zu gewinnen.“

„Das mangelnde Bewusstsein der deutschen Unternehmen für Cyberrisiken lässt sich nur mit einem mangelnden Verständnis erklären, sagt Johannes Behrends von Aon Risk Solutions. „Da die Risiken sehr komplex sind, scheuen viele Unternehmen nach wie vor die Auseinandersetzung mit dem Thema. Doch erst wenn die Risiken identifiziert sind, kann die Notwendigkeit einer Cyberversicherung beurteilt werden.“ Nur wenige Unternehmen glauben, dass Industriespionage zurückgehen wird. In der Tat ist das Schadensausmaß in den vergangenen Jahren sogar dramatisch gestiegen. Bei der ersten Umfrage von Corporate Trust im Jahr 2007 belief sich der jährliche Schaden der deutschen Unternehmen durch Industriespionage noch auf 2,8 Milliarden Euro. 2012 waren es bereits 4,2 Milliarden Euro. „Vermutlich befinden wir uns bereits im Cybergeddon“, sagt Studienleiter Schaaf. „Es bleibt zu hoffen, dass sich die Unternehmen bald darauf einstellen und entsprechende Sicherheitsmaßnahmen ergreifen.“