Eine neue Rolle für Gewerkschaften in der digitalen Arbeitswelt

Durch die Digitalisierung verändert sich nicht nur die Arbeitswelt, auch die Gewerkschaften stehen vor einschneidenden Veränderungen. Dabei gehen acht von zehn Unternehmen in Deutschland (82 Prozent) davon aus, dass Gewerkschaften vor dem Hintergrund der Digitalisierung auch künftig eine Rolle spielen werden. Immerhin jedes sechste Unternehmen (16 Prozent) erwartet umgekehrt, dass Gewerkschaften künftig keine Rolle mehr spielen werden. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Digitalverbandes Bitkom unter 504 Geschäftsführern und Personalverantwortlichen von Unternehmen ab 10 Mitarbeitern.

Vor allem im Handel und in der Industrie (jeweils 19 Prozent) wird die Zukunft der Gewerkschaften skeptisch gesehen, bei Dienstleistern (10 Prozent) liegt der Anteil deutlich darunter. „Digitalisierung verändert die Geschäftsmodelle der Unternehmen und die Art, wie Menschen arbeiten. Das hat auch Auswirkungen auf Organisationen, die die Interessen von Beschäftigten vertreten“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Neue Arbeitsformen wie Crowdworking aber auch hochspezialisierte Experten, die ihre Dienste freiberuflich auf Zeit zur Verfügung stellen, erfordern einen neuen Diskurs zwischen Beschäftigtenvertretern, Unternehmensvertretern und der Politik sowie die Beteiligung weiterer Gruppen.“ „Eine neue Rolle für Gewerkschaften in der digitalen Arbeitswelt“ weiterlesen

Digitale Arbeitswelt braucht Flexibilität und Bildung

Auf ihrer Konferenz „Digitale Arbeitswelt: Chancen und Herausforderungen für Unternehmen und Belegschaft“ werfen die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und die Daimler AG gemeinsam mit europäischen Gästen einen Blick auf die zunehmende Digitalisierung: Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden. Nicht nur Produktions- und Fertigungsverfahren verändern sich, auch das Arbeitsumfeld der Mitarbeiter. Mensch und Maschine arbeiten schon heute in einigen Bereichen Hand in Hand, aber in Zukunft wird die Industrieproduktion noch vernetzter. Für produktionsnahe Arbeitsplätze und den Verwaltungsbereich ermöglicht die Digitalisierung neue Freiheiten: Mobiles Arbeiten mit modernster Kommunikationstechnik bedeutet, dass viele Aufgaben ortsunabhängig und zeitlich flexibel erledigt werden können.

Bildungssystem muss digitale Kompetenz vermitteln

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer erklärt: „Wir müssen uns fragen, was zu tun ist, damit wir mit diesem Wandel Schritt halten können. Und wir müssen den Menschen Mut machen, damit sie Veränderungen in Wirtschaft und Arbeitswelt nicht als Bedrohung sehen, sondern als Chance begreifen. Die globale Vernetzung von Märkten und Gesellschaften lässt die Welt in rasantem Tempo schrumpfen. Den Takt geben die Kunden vor: Sie erwarten von Unternehmen, dass sie global, rund um die Uhr für sie da sind und immer schneller auf individuelle Wünsche reagieren. Um da mitzuhalten, müssen Unternehmen flexibel agieren können. Flexibilität gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen, um in der digitalisierten Welt erfolgreich zu sein. Ich bin überzeugt, dass die Digitalisierung den europäischen Arbeitnehmern wie Unternehmern mehr Chancen als Risiken bietet. Eine entscheidende Voraussetzung heißt Bildung: Digitale Kompetenz muss als Schlüsselqualifikation begriffen werden. Sie muss auf breiter Front vermittelt werden – in Schulen, in Hochschulen und ebenso in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, alle Bildungs-Potenziale auszuschöpfen. Wenn dies gelingt, ist Flexibilität für uns Europäer keine Bedrohung, sondern für jeden eine Chance – nämlich die Chance, durch Bildung und Arbeit selbstbestimmt zu leben und an unserer Gesellschaft teilzuhaben.“




Rahmenbedingungen ändern, um Chancen der Digitalisierung zu nutzen

Wilfried Porth, Vorstand für Personal und Arbeitsdirektor, IT & Mercedes-Benz Vans der Daimler AG ergänzt: „Die Daimler AG sieht die Digitalisierung der Arbeitswelt als große Chance. Der digitale Wandel kann nicht nur in den Fabriken und Büros der Daimler AG stattfinden, sondern muss sich auch in den politischen Rahmenbedingungen widerspiegeln: Unser Arbeitszeitrecht wird der Realität nicht mehr gerecht. Es beruht auf einer Arbeitswelt, die fast einhundert Jahre alt ist und zum Schutz vor der damals extrem schweren körperlichen Arbeit entwickelt wurde. Wir brauchen heute viel mehr Freiraum, um auch künftig die besten Talente für uns zu gewinnen, denn die wollen mehr Eigenverantwortung und Selbstbestimmung. Wir wollen keine Schutzfunktion aufheben, aber wir müssen die Regeln flexibilisieren und den heutigen Arbeitsanforderungen sowie den Wünschen der Menschen nach Flexibilität anpassen. Auch die Tarifverträge dürfen sich den Chancen der Digitalisierung nicht verschließen. Löhne und Gehälter basieren heute weitgehend auf wöchentlichen oder monatlichen Arbeitszeiten. Damit orientiert sich das Vergütungssystem an einer veralteten Präsenzkultur und nicht an einer Ergebniskultur. Wir können lang und ausführlich über die Vorteile und das Innovationspotenzial des Silicon Valley sprechen, aber nicht erwarten, dass dieses Erfolgsmodell auf Deutschland mit den heute gültigen Rahmenbedingungen übertragbar ist. Unser Ziel ist es, die Vorteile der Digitalisierung voll auszuschöpfen, und das geht nur, wenn neben den Unternehmen auch Politik und Gewerkschaften den Wandel mittragen.“